G`schmäckle
Ein Besuch in der Nachbarschaft zu unserem Siedlerheim war nichts für feine Nasen. Zu Gast war die Männergruppe, einschließlich unserer Vorsitzenden M. Müller, bei der Kläranlage Nesselwörth, angrenzend an unseren Bietigheimer Stadtteil „Sand“. Wie so oft, war unser Vereinsheim Treffpunkt der Teilnehmer und nach einem Fußmarsch von nur 15 Minuten wurden wir am Dienstag, den 26.10.2021 um 17 Uhr vom technischen Leiter der Kläranlage und einer Mitarbeiterin der Stadtwerke Bietigheim-Bissingen begrüßt.
Nach Überprüfung der Impf- und Testnachweise setzte sich die Gruppe zügig in Bewegung bevor die Dämmerung über uns hereinbrechen sollte.
Zunächst wurden uns ein paar Eckdaten zu unserer Kläranlage genannt, so z.B., dass die Anlage im vergangenen Jahr, 2020, ihr 60-jähriges Bestehen feiern durfte. Zwischenzeitlich wurde viel erweitert und modernisiert, sodass die Abwasserreinigung immer auf dem neusten Stand war, ist und auch in Zukunft bleiben soll.
Bei dem Einzugsgebiet dieser Kläranlage bekamen wir alle große Augen. Denn hierlanden nicht nur die Verunreinigungen der Stadt Bietigheim-Bissingen und ihre umliegenden Städte, nein, hier landet sogar auch Mitgeschwemmtes aus Vaihingen/Enz, Horrheim etc. Ein sehr großes Einzugsgebiet! Somit arbeitet diese Anlage hochwirtschaftlich und rentabel.
Mittlerweile besitzt das Unternehmen ein modernisiertes Rechenhaus. Dieses ist für die mechanische Reinigung verantwortlich und sorgt dafür, dass alle Stoffe, die größer als 6 mm sind, aus dem Wasser gefischt werden. Dieses Überbleibsel wird entwässert, verladen und anschließend in der Deponie verbrannt. Der folgende Sand- und Fettfang lohnt sich für die ganze Anlage, denn der Sand würde durch seine abschleifende Wirkung für einen schnelleren Verschleiß sorgen. Ebenfalls in diesem Becken wird durch das Einblasen von Luft das Fett aufgeschwemmt, das zur Weiterbehandlung in die Faultürme gefördert wird.
Der Sand geht in die Kompostierung oder an die Stadtgärtnerei, bei der der Sand in die städtischen Grünanlagen eingearbeitet wird. Die mechanische Reinigung endet mit den Vorklärbecken, in denen sich durch die niedrige Fließge- schwindigkeit, die Fäkalien am Beckenboden absetzen und nach Eindickung ebenfalls in die Faultürme gepumpt werden. Das Wasser ist nun vom groben Schmutz befreit. Die mittlerweile vier Vorklärbecken auf
dieser Anlage puffern auch die Wassermassen bei Starkregen ab. Eine Art Auffang- / Rückhaltebecken.
Die biologische Reinigung wurde in den 80er Jahren ausgebaut und ist im Reinigungsprozess gegen die Überdüngung der Gewässer ein Meilenstein. Im folgenden Becken werden gelöste Nährstoffe (Stickstoff und Phosphor) aus dem Abwasser entfernt. Durch belüftete und unbelüftete Zonen im Belebungsbecken werden diese abgebaut. Durch die Zugabe von Fällmitteln wird hierbei durch eine chemische Reaktion der Stoff Phosphor komplett entfernt.
Die Anzahl der Nachklärbecken wurden, von zunächst zwei, im Jahr 1992/93 auf viererweitert. Die Überreste aus den o.g. Belebungsbecken, der sogenannte Belebtschlamm, setzt sich am Beckenboden ab. Dieser wird durch die Räumer in die Mitte des Beckens geschoben und in die biologische Reinigung zurück gepumpt. Überschüssige Mikroorganismen werden als sog. Überschussschlamm zur Weiterbehandlung in die Faulbehälter gepumpt. Das gereinigte Wasser fließt nun über das Auslaufbauwerk in die Enz.
In den 70er Jahren wurden die Faultürme in beheizte Faulbehälter umgebaut. Die zwei geschlossenen Behälter sind rd. 15 Meter hoch und haben ein Volumen von 1200 qm. Hier wird unter Luftausschluss der organische Anteil im Schlamm aus den Vorklärbecken, der Biologie und die gesammelten Fette, in Klärgas umgewandelt. Dieses besteht zu 60% aus Methan und 40% aus Kohlendioxid. Aus diesem Gasgemisch wird Energie gewonnen! Auf dem Grundstück werden aus zwei elektrischen Anlagen aus Klärgas Strom und Wärme für den Anlagenbetrieb und die Prozesswärme für die Faultürme gewonnen. Die komplette Kläranlage versorgt sich damit selbst mit der nötigen Energie, hocheffizient und umweltschonend.
Im Betriebslabor, auf das bei der Führung aus Zeitgründen nicht groß eingegangen wurde, wird in regelmäßigen Abständen Proben untersucht, geprüft und protokolliert. Die Anlage bzw. die Abwasserreinigung und somit der ganze Prozess unterliegt strengen behördlichen Auflagen.
Die großen Überwachungstafeln an den Wänden der Leitzentrale haben schon lange ausdient. Diese wurden durch Monitore ersetzt und können auch an die stetig wachsende Anlage einfacher angepasst werden. Aber nicht nur die Anlage in Bietigheim wird so betreut, auch die Überwachungspunkte im kompletten Einzugsgebiet können durch die Digitalisierung im Blick behalten werden.
Uns wurde zum Schluss der Führung versichert, dass die Kläranlage Nesselwörth und deren Verantwortlichen immer darauf erpicht sind, auf dem neusten Stand der Technik zu sein. Außerdem suchen die Stadtwerke immer gutes Personal für ihre Kläranlage. Die stetig wachsende Mitarbeiteranzahl sorgt dafür, dass der Gebäudetrakt mit Aufenthaltsräumen, Umkleiden und sanitären Einrichtungen in naher Zukunft umgebaut werden müsse. Mit diesen Worten entließ uns der technische Leiter, bedankte sich für ein sehr interessiertes Publikum und würde sich auf ein Wiedersehen freuen.
Die Gruppe wiederum bedankte sich mit einem Obolus, für die Kaffeekasse, für eine hervorragende und sehr informative Führung durch einen Bereich, der in der Gesellschaft eher Ekel hervorruft.
„Frische“ Luft und viele Informationen machen hungrig und daher trafen sich die
Teilnehmenden im Siedlerheim zu einem rustikalem Vesper, das ebenfalls, so wie die Führung, unser Gartenfreund Oliver Helf organisiert hatte. Bei Käse, Schinken, Brot und einem gepflegten Bier ließen die neuen Abwasserspezialisten den Abend ausklingen.